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Gudrun Mentel

21.10.20

Verlässt ein Mitarbeiter eine Praxis, so warten viel Arbeit und noch mehr emotionale Momente auf alle Beteiligten. Plötzlich stehen Erwartungen, Ängste, Erleichterungen im Raum – Emotionen, die selten ausgesprochen und bearbeitet werden. Gerade ein offener und proaktiver Umgang ist aber wichtig, vor allem für die verbleibenden Mitarbeiter. Der folgende Beitrag zeigt, wie man als Praxisinhaber das Team in dieser Zeit begleiten kann.

Mitarbeiter verlassen aus unterschiedlichen Gründen eine Praxis. Einige kündigen ihrem Arbeitgeber, weil sie den Wohnort wechseln. Vielen langjährigen und loyalen Mitarbeitern fällt dieser Schritt besonders schwer. Es ist ein Abschied von einem Arbeitsplatz, aber noch viel mehr von Freundschaften und vertrauten Ritualen. Verlässt ein Mitarbeiter die Praxis, weil er keine Perspektive für sich sieht, weil es vielleicht Streit mit dem Praxisinhaber oder Teilen des Teams gab, so ist die emotionale Diskrepanz zwischen allen Beteiligten noch größer. Meist wird in diesen Fällen zum letztmöglichen Tag gekündigt mit der Hoffnung, schnell aus der Praxis auszusteigen. Idealerweise kann der scheidende Mitarbeiter noch andere Kollegen einarbeiten.
Diesen Wunsch haben viele Praxisinhaber. Dies wird allerdings seltener umgesetzt. Grund hierfür ist u. a. die sinkende emotionale Bindung an die Praxis. Man geht zwar noch täglich zur Arbeit, in Gedanken hat man sich aber schon lange vor dem Kündigungsgespräch mit dem Abschied beschäftigt. So ist der Mitarbeiter schon emotional weiter entfernt als es der Praxisinhaber oder das Team sind. Diese müssen selbst erst einmal verstehen, was der Weggang des Mitarbeiters für die Praxis bedeutet: Abschiede, notwendige Tätigkeiten und sinnvolle  Umstrukturierungen. Diese Phase kann bei langjährigen und vertrauten Mitarbeitern lange und emotional verlaufen. Insbesondere der Praxisinhaber selbst ist mit seinen Gedanken eher in der Zukunft und dem eigenen Tun verhaftet. Wer kann die Aufgaben und Zuständigkeiten übernehmen? Hinzu kommen die Fragen des Teams. Der Mitarbeiter, der die Praxis verlässt, hat diese Perspektive nicht mehr.

1  Der Trauer einen Raum geben

Mitarbeiter arbeiten nicht nur nebeneinanderher, sie gehen enge Bindungen dabei ein. Je intensiver die Bindung, desto größer die Trauer und die Notwendigkeit des Abschiednehmens. Die verbleibenden Mitarbeiter ziehen sich daher meist für eine Zeit zurück oder möchten zunächst mit den anderen Kollegen darüber sprechen. Als Praxisinhaber kann man diesen Mitarbeitern gut helfen, indem man ihnen diesen zeitlichen Raum gibt. Idealerweise bietet man an, sich mit ihnen auszutauschen, wann immer sie es wünschen. Treffen sich Mitarbeiter in dieser Zeit häufiger im Sozialraum, so tut man als Praxisinhaber gut daran, den Betroffenen diesen Raum zu gewähren.

2  Informationen proaktiv geben

Der eine Mitarbeiter trauert länger, der andere kürzer. Beide benötigen nach dieser Phase jedoch konkrete Informationen, wie es weitergeht. Sie möchten wissen, was die Praxisleitung tut, um die Vakanz auszugleichen. Hierzu zählen vor allem die Fragen, ob Mehrarbeit auf sie zukommt und welche Zuständigkeiten verändert werden. Idealerweise informiert der Praxisinhaber schnell und proaktiv über alle Aktionen, die wichtig sind. So sollte das Team zunächst umgehend von der Kündigung erfahren (nicht durch die Gerüchteküche). In der Folge helfen häufi gere und exakte Informationen über das Handeln der Praxisleitung weiter. So kann diese von sich aus informieren, welche Recruiting-Aktionen sie eingeleitet hat und wann welche Zuständigkeiten neu geregelt werden. Bewährt hat sich ein Zeitplan, der allen zugänglich ist. Hier werden die Wochen visualisiert und die wichtigen Daten festgehalten (Urlaubszeiten, Austrittsdatum, Praxisschließzeiten etc.). Allen Beteiligten wird dadurch deutlich, wie viel Zeit für welche Aktionen bleibt.

3 Das Team miteinbeziehen

Nach der Trauer und der Information hilft es Mitarbeitern, wenn sie selbst aktiv die Zukunft gestalten können. So kann man das Team gut einbinden, indem man es die Abschiedsfeier organisieren lässt. Auch in die Suche nach einem neuen Kollegen kann man es einbeziehen. Welche Anzeige sollte geschaltet werden? Wer kann sie in den sozialen Medien posten? Wer hat Bekannte, die man fragen kann? Wo kann man Anzeigen platzieren (z. B. bei lokalen Vereinen, Geschäften o. Ä.)? Mit gleicher Energie können die neuen Verantwortlichkeiten und Abläufe gemeinsam besprochen werden. Oft haben die betroffenen Mitarbeiter selbst gute Ideen, wer welche Tätigkeit übernimmt. Vielleicht traut sich ein neuer Kollege sogar eine neue Verantwortung zu und ist stolz, sich beweisen zu dürfen. 

4 Wissensübergabe proaktiv begleiten

Mitarbeiter, die eine Praxis verlassen, nehmen wertvolles Wissen mit. Ein Umstand, der nur durch ein gut geführtes Qualitätsmanagementsystem (QMS) ansatzweise abgefedert werden kann.
Aber auch dann sollte die Praxisleitung den Betroffenen aktiv zur Seite stehen und die Wissensübergabe begleiten. Der Satz „Zeigen Sie das mal den anderen Kollegen“ lässt zu viel Spielraum für alle Beteiligten. Wohlgemerkt: Der scheidende Mitarbeiter hat meist eine geringe enge emotionale Bindung an die Praxis. Idealerweise setzt man sich mit dem ausscheidenden Mitarbeiter und demjenigen, der interimsweise die Tätigkeit ausführt, zusammen und bespricht die notwendigen Unterlagen. Auf diese Weise hat man als Praxisleitung auch den Überblick über die interne Dokumentation und zeigt beiden Mitarbeitern, wie wichtig diese Übergabe für sie ist.

5 Dank für die gemeinsame Zeit aussprechen

Auch wenn man als Praxisleitung wenig Zeit in diesen Tagen hat, organisatorisch und emotional beim neuen Mitarbeiter (und den neuen Zuständigkeiten) ist – ein ritualisierter Abschied ist wichtig für alle Beteiligten. Es ist ein Zeichen der Anerkennung der geleisteten Arbeit für den scheidenden Mitarbeiter und ein Signal für das verbleibende Team, dass man das Engagement aller Beteiligten würdigt. Ein solches Fest können Teile des Teams organisieren und die Praxisleistung unterstützt diese. Dabei kann man die gemeinsame Zeit Revue passieren lassen und Erfolge bestaunen.

Fazit

Jede Praxis ist anders organisiert und macht eigene Erfahrungen mit solchen Abschiedsprozessen. Idealerweise nimmt man sich als Praxisleitung nach dem Abschluss kurz Zeit und zieht eine Bilanz für künftige Situationen: Welche Prozesse kann man in der Praxis optimieren, z. B. die Wissensübergabe? Ist das QMS noch auf dem aktuellen Stand? Was kann man tun, um das Team bei einem erneuten Wechsel schneller zu stabilisieren? Diese Tipps und Fragen helfen allen Beteiligten, diese wechselhaften, emotionalen Wochen gut zu überstehen. Denn in jedem Abschied liegt bekannterweise die Chance auf einen Neuanfang.

Ein Mitarbeiter geht, aber mein Team bleibt -
Tipps für einen erfolgreichen Abschluss